"Du glaubst nicht, was ich gestern erlebt habe", ruft mir die Sekretärin vom ARD-Studio Singapur nach dem Wochenende entgegen. "Neben uns auf der Restaurantterrasse hat eine Familie gesessen und ihr Mittagessen bestellt. Sie hatten ihr Hausmädchen dabei, aber die musste die ganze Zeit hinter dem Tisch stehen. Sie haben ihr nicht mal ein Glas Wasser gegeben und das bei dieser Hitze. Niemand hat daran Anstoss genommen. Unglaublich!"

Ein schrecklicher Einzelfall? In dieser extremen Form vielleicht. Doch die mehr als 200.000 Hausangestellten oder Maids, wie sie in Singapur genannt werden, werden oft genug wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Manche arbeiten bis zu 18 Stunden am Tag und müssen froh sein, wenn sie nicht auch noch hungern müssen. Mancher Stundenlohn liegt  zudem bei nicht mehr als 30 Cent, hat eine Zeitung ausgerechnet.

An Sonntagen kann man die Privilegierten unter den Hausmädchen am Lucky Plaza treffen. Dort überweisen sie Geld nach Hause nach Indonesien, auf die Philippinen oder Myanmar, und sie treffen sich mit anderen Maids. Oft picknicken sie in den Seitenstrassen, weil sie kein Geld für Restaurants haben. Ich erlebe Passanten, die sich darüber aufregen, die Mais würden "den Weg versperren und ihren Dreck verteilen." Viele dieser jungen Frauen haben Kinder tausende Kilometer weit weg. Ich sehe die Sehnsucht und die Trauer in ihren Augen. Als Mutter von zwei kleinen Söhnen kann ich erahnen, wie gross die Not zu Hause sein muss, wenn man bereit ist, seine Kinder zu verlassen, oft genug für Jahre und in dem Wissen, von Monat zu Monat mehr zu einer Fremden zu werden. Welcher Stich ins Herz ist es dann, wenn der Sohn oder die Tochter irgendwann zu einer entfernten Verwandten "Mama" sagt…Leider sind die Frauen in der Fremde dann nicht nur mit ihrer Sehnsucht und ihrem Heimweh allein.

In den Zeitungen lese ich, dass Singapur ab nächstem Jahr einen freien Tag für Hausmädchen zur Pflicht machen möchte. Selbst in Taiwan und Hongkong gibt es das längst. Doch die Reaktionen der Singapurer sind bei weitem nicht nur verständnisvoll. Was sich die Regierung dabei gedacht habe, heisst es da in wütenden Leserbriefen. Wer solle sich denn dann Sonntags um Kinder, Alte und Wäsche kümmern? Ein Boulevardblatt provoziert mit folgendem Aufmacher: Ein Foto von einem Hausmädchen, das einen Mann knutscht. Darunter der Titel: "Wie ihre Maid ihren freien Tag verbringt."

Singapur wirbt eifrig um Arbeitnehmer in der ganzen Welt, und das auch mit besten Arbeitsbedingungen, zumindest für Banker, Professoren, Manager. Für Hausmädchen gelten diese nicht. Das sei ja der privater Sektor, heisst es zur Entschuldigung. Wenn sie Probleme mit ihren Arbeitgebern haben, stehen die jungen Frauen oft genug allein da. Die Vermittlungsagenturen raten ihnen oft, sich doch ein wenig zusammenzureissen. Kaum eine traut sich zur Polizei. Kein Wunder, dass sich jedes Jahr verzweifelte Hausmädchen in den Tod stürzen.

Bei den Recherchen lernen wir schliesslich Bridget Tan kennen. Sie hat mit viel Engagement und Spenden ein Frauenhaus für misshandelte Maids eingerichtet. Die Geschichten dieser Mädchen sind  herzzerreissend. Es sind Geschichten von Ausbeutung, von Misshandlungen, von Vergewaltigungen, aber auch von seelischen Grausamkeiten, wenn etwa eine Muslima gezwungen wird, Schweinefleisch zu essen. Wir machen ein Interview mit der misshandelten Analyn. Sie ist nun schon seit ein paar Monaten hier und sei schon wieder seelisch stabil, heisst es. Ihre tiefen Augenringe und die kahlen Stellen auf ihrem Kopf sprechen Bände. Sie möchte reden, aber bald kullern Tränen über ihr Gesicht. Ich komme mir grausam vor, sie mit meinen Fragen zu belästigen und frage mich, wie ihre Arbeitgeberin beim Anblick dieser verzweifelten Augen einfach weiter quälen konnte…

Die ganze Geschichte in der ARD-Mediathek unter www.daserste.de/weltspiegel